Original 1. Auflage 1974 - von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda

Bhagavad Gita wie sie ist   Bhagawad-gita

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Vierzehntes Kapitel
Die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur

Verse:    1   2   3   4   5   6   7   8   9  10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

VERS 1

श्रीभगवानुवाच ।
परं भूयः प्रवक्ष्यामि ज्ञानानां ज्ञानमुत्तमम् ।
यज्ज्ञात्वा मुनयः सर्वे परां सिद्धिमितो गताः ॥१॥

śrī bhagavān uvāca
paraṁ bhūyaḥ pravakṣyāmi
jñānānāṁ jñānam uttamam
yaj jñātvā munayaḥ sarve
parāṁ siddhim ito gatāḥ

śrī bhagavān uvāca – der Höchste Persönliche Gott sagte; param – transzendental; bhūyaḥ – wieder; pravakṣyāmi – Ich werde sprechen; jñānānām – von allem Wissen; jñānam – Wissen; uttamam – das höchste; yat – was; jñātvā – kennend; munayaḥ – die Weisen; sarve – alle; parām – transzendental; siddhim – Vollkommenheit; itaḥ – von dieser Welt; gatāḥ – erreichen.

ÜBERSETZUNG

Der Höchste Herr sagte: Abermals werde Ich dir nun die erhabenste Weisheit verkünden, die Essenz allen Wissens, durch deren Erkenntnis alle Weisen die höchste Vollkommenheit erreichten.

ERKLÄRUNG

Vom Siebten Kapitel bis zum Ende des Zwölften Kapitels offenbart Sich Śrī Kṛṣṇa als die Absolute Wahrheit, der Höchste Persönliche Gott. Nun erleuchtet der Herr Arjuna mit weiterem Wissen. Auch wenn man versucht, dieses Kapitel mittels philosophischer Spekulation zu verstehen, wird man ein Verständnis vom hingebungsvollen Dienen bekommen. Im Dreizehnten Kapitel wurde erklärt, daß man von der materiellen Verstrickung befreit werden kann, wenn man Wissen in einer demütigen Haltung entwickelt. Es wurde auch erklärt, daß das Lebewesen in die materielle Welt verstrickt ist, weil es mit den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur in Berührung ist. In diesem Kapitel nun erklärt die Höchste Persönlichkeit, wie diese drei Erscheinungsweisen der Natur beschaffen sind, wie sie sich auswirken, in welcher Weise sie binden und wie sie Befreiung gewähren. Wie der Höchste Herr sagt, ist das Wissen, daß in diesem Kapitel erklärt wird, dem Wissen übergeordnet, das in den bisherigen Kapiteln offenbart wurde. Viele große Weise haben die Vollkommenheit erreicht und sind in die spirituelle Welt erhoben worden, weil sie dieses Wissen verwirklicht haben. Der Herr erklärt nun das gleiche Wissen noch ausführlicher. Dieses Wissen ist allen anderen Vorgängen des Wissens, die bisher erklärt wurden, weit überlegen, und viele Menschen werden die Vollkommenheit erreichen, wenn sie es verstehen. Daher wird erwartet, daß jeder, der dieses Vierzehnte Kapitel versteht, die Vollkommenheit erreicht.

VERS 2

इदं ज्ञानमुपाश्रित्य मम साधर्म्यमागताः ।
सर्गेऽपि नोपजायन्ते प्रलये न व्यथन्ति च ॥२॥

idaṁ jñānam upāśritya
mama sādharmyam āgatāḥ
sarge ’pi nopajāyante
pralaye na vyathanti ca

idam – dieses; jñānam – Wissen; upāśritya – Zuflucht suchen bei; mama – Mein; sādharmyam – Wesen; āgatāḥ – erreichen; sarge api – selbst in der Schöpfung; na – niemals; upajāyante – kommt in; pralaye – bei der Vernichtung; na – auch nicht; vyathanti – gestört; ca – auch.

ÜBERSETZUNG

Wenn man in diesem Wissen gefestigt wird, kann man die transzendentale Natur erreichen, die Meiner eigenen Natur gleicht. Ist man auf dieser Ebene verankert, wird man weder zur Zeit der Schöpfung geboren noch bei ihrer Auflösung verwirrt.

ERKLÄRUNG

Nachdem man vollkommenes transzendentales Wissen erlangt hat, wird man mit dem Höchsten Persönlichen Gott qualitativ eins und somit frei von den sich wiederholenden Geburten und Toden. Man verliert jedoch nicht seine Identität als individuelle Seele. Aus den vedischen Schriften kann man erfahren, daß die befreiten Seelen, die die transzendentalen Planeten des spirituellen Himmels erreicht haben, bei den Lotusfüßen des Höchsten Herrn Zuflucht suchen, da sie in Seinem transzendentalen liebevollen Dienst beschäftigt sind. Die Gottgeweihten verlieren also selbst nach der Befreiung ihre individuellen Identitäten nicht.

Im allgemeinen ist alles Wissen, das wir uns in der materiellen Welt aneignen, von den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur verunreinigt. Wissen jedoch, das nicht von den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur verunreinigt ist, wird transzendentales Wissen genannt. Sobald man im transzendentalen Wissen verankert ist, befindet man sich auf der gleichen Ebene wie die Höchste Person. Diejenigen jedoch, die nichts vom spirituellen Himmel wissen, sind der Ansicht, die spirituelle Identität werde nach der Befreiung von den materiellen Aktivitäten der materiellen Form formlos und ohne jede Verschiedenartigkeit. Doch wie es Mannigfaltigkeit in der materiellen Welt gibt, so gibt es auch Mannigfaltigkeit in der spirituellen Welt. Diejenigen, die sich über diese Tatsache in Unwissenheit befinden, denken, spirituelle Existenz sei das Gegenteil von materieller Vielfalt. Aber auch im spirituellen Himmel nimmt man eine Form an – doch diese Form ist spirituell. Es werden auch spirituelle Aktivitäten ausgeführt, und die spirituelle Existenz wird hingebungsvolles Leben genannt. Es wird gesagt, daß diese Atmosphäre nicht verunreinigt ist, und daß man dort in der Qualität nach mit dem Höchsten Herrn eins ist. Um zu diesem Wissen zu kommen, muß man alle spirituellen Eigenschaften entwickeln. Wer solche spirituellen Eigenschaften entwickelt, wird weder von der Erschaffung noch von der Zerstörung der materiellen Welt beeinflußt.

VERS 3

मम योनिर्महद्ब्रह्म तस्मिन्गर्भं दधाम्यहम् ।
सम्भवः सर्वभूतानां ततो भवति भारत ॥३॥

mama yonir mahad-brahma
tasmin garbhaṁ dadhāmy aham
sambhavaḥ sarva-bhūtānāṁ
tato bhavati bhārata

mama – Mein; yoniḥ – Quelle der Geburt; mahat – die gesamte materielle Existenz; brahma – erhaben; tasmin – darin; garbham – Schwangerschaft; dadhāmi – schaffe; aham – Ich; sambhavaḥ – Möglichkeit; sarva-bhūtānām – von allen Lebewesen; tataḥ – danach; bhavati – wird; bhārata – O Nachkomme Bharatas.

ÜBERSETZUNG

O Nachkomme Bharatas, die gesamte materielle Substanz, die auch Brahman genannt wird, ist die Ursache der Geburt, und es ist dieses Brahman, das Ich befruchte, so daß alle Arten des Lebens geboren werden können.

ERKLÄRUNG

Alles, was geschieht, ist auf die Verbindung von kṣetra und kṣetrajña (von Körper und Seele) zurückzuführen. Diese Verbindung der materiellen Natur mit dem Lebewesen wird vom Höchsten Gott Selbst ermöglicht. Das mahat-tattva ist die Ursache der gesamten kosmischen Manifestation, und weil es in der gesamten Substanz der materiellen Ursache drei Erscheinungsweisen der Natur gibt, wird sie manchmal auch Brahman genannt. Die Höchste Persönlichkeit befruchtet diese gesamte Substanz, und somit wird die Existenz unzähliger Universen möglich.

Diese gesamte materielle Substanz, das mahat-tattva, wird in den vedischen Schriften als Brahman beschrieben: tasmād etad brahma nāma-rūpam annaṁ ca jāyate. Dieses Brahman wird von der Höchsten Person mit den Lebewesen befruchtet. Die vierundzwanzig Elemente, angefangen mit Erde, Wasser, Feuer und Luft, gehören zur materiellen Energie, die maha-brahma (das große Brahman), die materielle Natur, genannt wird. Wie im Siebten Kapitel erklärt wird, befindet sich jenseits davon eine andere, höhere Natur – das Lebewesen. Durch den Willen des Höchsten Persönlichen Gottes wird die materielle Natur mit der höheren Natur vermischt, und werden alle Arten des Lebens aus dieser materiellen Natur geboren.

Die Skorpione legen ihre Eier in Reishaufen, und daher glauben manche Menschen, der Skorpion werde aus dem Reis geboren; doch der Reis ist nicht die Ursache des Skorpions, denn in Wirklichkeit wurden die Eier vom Skorpionweibchen in den Reishaufen gelegt. In ähnlicher Weise ist auch die materielle Natur nicht die Ursache für die Geburt der Lebewesen. Der Same wird vom Höchsten Persönlichen Gott gegeben, und es erscheint nur so, als seien die Lebewesen Produkte der materiellen Natur. Jedes Lebewesen nimmt gemäß seinen vergangenen Aktivitäten einen Körper an, der von der materiellen Natur geschaffen wird, und entsprechend seinen vergangenen Taten kann das Lebewesen genießen oder muß leiden. Der Herr ist die Ursache für die Manifestation aller Lebewesen in der materiellen Welt.

VERS 4

सर्वयोनिषु कौन्तेय मूर्तयः सम्भवन्ति याः ।
तासां ब्रह्म महद्योनिरहं बीजप्रदः पिता ॥४॥

sarva-yoniṣu kaunteya
mūrtayaḥ sambhavanti yāḥ
tāsāṁ brahma mahad yonir
ahaṁ bīja-pradaḥ pitā

sarva-yoniṣu – in allen Arten des Lebens; kaunteya – O Sohn Kuntīs; mūrtayaḥ – Formen; sambhavanti – wie sie erscheinen; yāḥ – was; tāsām – sie alle; brahma – erhaben; mahat yoniḥ – die Quelle der Geburt in der materiellen Substanz; aham – Ich Selbst; bīja-pradaḥ – samengebend; pitā – Vater.

ÜBERSETZUNG

O Sohn Kuntīs, man sollte verstehen, daß alle Arten des Lebens durch Geburt in der materiellen Welt ermöglicht werden, und daß Ich der samengebende Vater bin.

ERKLÄRUNG

In diesem Vers wird eindeutig erklärt, daß der Höchste Persönliche Gott, Kṛṣṇa, der ursprüngliche Vater aller Lebewesen ist. Alle Arten des Lebens sind Verbindungen der materiellen Natur mit der spirituellen Natur. Solche Lebewesen kann man nicht nur auf diesem Planeten finden, sondern auch auf jedem anderen – sogar auf dem Planeten, auf dem Brahmā lebt. Überall gibt es Lebewesen: sie existieren in der Erde, im Wasser und sogar im Feuer. All diese Arten des Lebens haben ihren Ursprung in der Mutter, der materiellen Natur, und in Kṛṣṇa, dem samengebenden Vater. Die Lebewesen, die in die materielle Natur gesetzt wurden, nehmen zur Zeit der Schöpfung entsprechend ihren vergangenen Taten einen Körper an.

VERS 5

सत्त्वं रजस्तम इति गुणाः प्रकृतिसम्भवाः ।
निबध्नन्ति महाबाहो देहे देहिनमव्ययम् ॥५॥

sattvaṁ rajas tama iti
guṇāḥ prakṛti-sambhavāḥ
nibadhnanti mahā-bāho
dehe dehinam avyayam

sattvam – Erscheinungsweise der Reinheit; rajaḥ – Erscheinungsweise der Leidenschaft; tamaḥ – Erscheinungsweise der Unwissenheit; iti – so; guṇāḥ – Erscheinungsweisen; prakṛti – materielle Natur; sambhavāḥ – erzeugt von; nibadhnanti – bedingt; mahā-bāho – O Starkarmiger; dehe – in diesem Körper; dehinam – das Lebewesen; avyayam – ewig.

ÜBERSETZUNG

Die materielle Natur besteht aus den drei Erscheinungsweisen Reinheit, Leidenschaft und Unwissenheit. Wenn das Lebewesen mit der Natur in Berührung kommt, wird es von diesen drei Erscheinungsweisen bedingt.

ERKLÄRUNG

Weil das Lebewesen transzendental ist, hat es mit der materiellen Natur nichts zu tun. Doch weil es von der materiellen Welt bedingt worden ist, handelt es im Bann der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Weil die Lebewesen entsprechend diesen Erscheinungsweisen verschiedene Körper angenommen haben, werden sie veranlaßt, in Übereinstimmung mit dieser Natur zu handeln. Hierin liegt die Ursache ihres unterschiedlichen Glücks und Leids.

VERS 6

तत्र सत्त्वं निर्मलत्वात्प्रकाशकमनामयम् ।
सुखसङ्गेन बध्नाति ज्ञानसङ्गेन चानघ ॥६॥

tatra sattvaṁ nirmalatvāt
prakāśakam anāmayam
sukha-saṅgena badhnāti
jñāna-saṅgena cānagha

tatra – danach; sattvam – Erscheinungsweise der Reinheit; nirmalavāt – in der materiellen Welt am reinsten; prakāśakam – erleuchtend; anāmayan – ohne irgendeine sündhafte Reaktion; sukha – Glück; saṅgena – Zusammensein; badhnāti – bedingt; jñāna – Wissen; saṅgena – Zusammensein; ca – auch; anagha – O Sündloser.

ÜBERSETZUNG

O Sündloser, weil die Erscheinungsweise der Reinheit reiner ist als die anderen Erscheinungsweisen, erleuchtet sie und befreit den Menschen von allen sündhaften Reaktionen. Wer sich in dieser Erscheinungsweise befindet, entwickelt Wissen, wird jedoch von der Vorstellung gebunden, glücklich zu sein.

ERKLÄRUNG

Die Lebewesen, die von der materiellen Natur bedingt werden, sind von unterschiedlichem Wesen. Eines ist glücklich, ein anderes sehr aktiv, und wieder ein anderes ist hilflos. All diese psychologischen Manifestationen sind die Ursachen für den bedingten Zustand der Lebewesen in der materiellen Natur. In diesem Teil der Bhagavad-gītā wird erklärt, auf welch unterschiedliche Weise sie bedingt werden. Wenn man in der materiellen Welt die Erscheinungsweise der Reinheit entwickelt, wird man wissender als diejenigen, die in anderer Weise bedingt sind. Ein Mensch in der Erscheinungsweise der Reinheit wird nicht so sehr von materiellen Leiden berührt, sondern strebt danach, im materiellen Wissen Fortschritt zu machen. Der Repräsentant dieser Erscheinungsweise ist der brāhmaṇa, von dem man erwartet, daß er sich in Reinheit befindet.

Das Gefühl des Glücks hat seine Ursache in der Erfahrung, daß man in der Erscheinungsweise der Reinheit mehr oder weniger frei von sündhaften Reaktionen ist. Tatsächlich wird auch in den vedischen Schriften bestätigt, daß die Erscheinungsweise der Reinheit größeres Wissen und ein größeres Gefühl des Glücks mit sich bringt.

Der einzige Nachteil der Erscheinungsweise der Reinheit liegt darin, daß ein Lebewesen in solcher Weise bedingt wird, daß es sich für sehr weise und besser als andere hält. Das beste Beispiel sind die Wissenschaftler und Philosophen: jeder von ihnen ist sehr stolz auf sein Wissen, und weil sie im allgemeinen ihre Lebensumstände verbessern können, erfahren sie materielles Glück. Dieses Gefühl des Glücks, das sie in ihrem bedingten Leben erfahren, bindet sie durch die Erscheinungsweise der Reinheit an die materielle Natur. Daher neigen sie dazu, in dieser Erscheinungsweise zu handeln, und solange sie diese Neigung verspüren, müssen sie einen Körper annehmen, der unter dem Einfluß der Erscheinungsweisen der materiellen Natur steht. Somit ist es unwahrscheinlich, daß sie befreit werden oder in die spirituelle Welt gelangen. Es ist durchaus möglich, daß ein solcher Mensch immer wieder ein Philosoph, Wissenschaftler oder Dichter wird und sich somit wiederholt in die gleichen Nachteile von Geburt und Tod verstrickt. Doch aufgrund der illusionierenden Wirkung der materiellen Energie glaubt er, ein solches Leben sei sehr angenehm.

VERS 7

रजो रागात्मकं विद्धि तृष्णासङ्गसमुद्भवम् ।
तन्निबध्नाति कौन्तेय कर्मसङ्गेन देहिनम् ॥७॥

rajo rāgātmakaṁ viddhi
tṛṣṇā-saṅga-samudbhavam
tan nibadhnāti kaunteya
karma-saṅgena dehinam

rajaḥ – Erscheinungsweise der Leidenschaft; rāga-ātmakam – aus Verlangen oder Lust geboren; viddhi – wisse; tṛṣṇā – Begehren; saṅga – Verbindung; samudbhavam – erzeugt von; tat – das; nibadhnāti – ist gebunden; kaunteya – O Sohn Kuntīs; karma-saṅgena – Verbindung mit fruchtbringender Aktivität; dehinam – des Verkörperten.

ÜBERSETZUNG

O Sohn Kuntīs, die Erscheinungsweise der Leidenschaft wird aus unbegrenzten Wünschen und Verlangen geboren, und deshalb wird man an materielle und fruchtbringende Aktivitäten gebunden.

ERKLÄRUNG

Die Erscheinungsweise der Leidenschaft ist durch die Anziehung zwischen Mann und Frau gekennzeichnet. Die Frau verspürt eine Anziehung zum Mann, und der Mann verspürt eine Anziehung zur Frau. Dies ist das Symptom der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Und wenn die Erscheinungsweise der Leidenschaft zunimmt, entwickelt man das Verlangen nach materiellem Genuß. Man möchte die Befriedigung der Sinne genießen. Nur um der Sinnesbefriedigung willen strebt ein Mann in der Erscheinungsweise der Leidenschaft nach Ehre in der Gesellschaft oder Nation, nach einer glücklichen Familie mit netten Kindern, einer Frau und einem Haus usw. Dies sind die Auswirkungen der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Solange man sich nach diesen Dingen sehnt, muß man sehr schwer arbeiten. Deshalb wird hier gesagt, daß ein solcher Mensch mit den Früchten seiner Aktivität in Berührung kommt und somit durch solche Aktivitäten gebunden wird. Um seine Frau, seine Kinder und seine Gesellschaft zu erfreuen, und um sein Prestige zu erhalten, muß er arbeiten. Man kann daher sagen, daß sich die gesamte materielle Welt mehr oder weniger in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befindet. Die moderne Zivilisation hat in der Erscheinungsweise der Leidenschaft großen Fortschritt gemacht. Früher war man der Ansicht, Fortschritt müsse sich in der Erscheinungsweise der Reinheit befinden.

Wenn es schon für Menschen in der Erscheinungsweise der Reinheit keine Befreiung gibt, was soll man dann von denen sagen, die in die Erscheinungsweise der Leidenschaft verstrickt sind?

VERS 8

तमस्त्वज्ञानजं विद्धि मोहनं सर्वदेहिनाम् ।
प्रमादालस्यनिद्राभिस्तन्निबध्नाति भारत ॥८॥

tamas tv ajñāna-jaṁ viddhi
mohanaṁ sarva-dehinām
pramādālasya-nidrābhis
tan nibadhnāti bhārata

tamaḥ – Erscheinungsweise der Unwissenheit; tu – aber; ajñāna-jam – Erzeugnisse der Unwissenheit; viddhi – wissend; mohanam – Täuschung; sarva-dehinām – aller verkörperten Wesen; pramāda – Verrücktheit; ālasya – Trägheit; nidrābhiḥ – Schlaf; tat – das; nibadhnāti – bindet; bhārata – O Nachkomme Bharatas.

ÜBERSETZUNG

O Nachkomme Bharatas, die Erscheinungsweise der Unwissenheit verursacht die Täuschung aller Lebewesen. Die Folgen dieser Erscheinungsweise sind Verrücktheit, Trägheit und Schlaf, die die bedingte Seele binden.

ERKLÄRUNG

In diesem Vers ist der besondere Gebrauch des Wortes „tu“ von großer Bedeutung. Es bedeutet, daß die Erscheinungsweise der Unwissenheit eine sehr seltsame Eigenart der verkörperten Seele ist. Diese Erscheinungsweise ist das genaue Gegenteil der Erscheinungsweise der Reinheit. In der Erscheinungsweise der Reinheit kann man durch die Entwicklung von Wissen die Dinge im richtigen Licht sehen, doch in der Erscheinungsweise der Unwissenheit ist das genaue Gegenteil der Fall. Jeder, der sich im Bann der Unwissenheit befindet, wird verrückt, und ein Verrückter kann nicht verstehen, wie die Dinge wirklich liegen. Anstatt Fortschritt zu machen, entartet man. In den vedischen Schriften wird folgende Definition gegeben: im Bann der Illusion kann man die Dinge nicht sehen, wie sie wirklich sind. Zum Beispiel kann jeder verstehen, daß sein Großvater gestorben ist, und daß er daher ebenfalls sterben wird – der Mensch ist also sterblich. Auch die eigenen Kinder werden eines Tages sterben. Der Tod ist also sicher. Dennoch raffen die Menschen wie verrückt Geld zusammen und arbeiten Tag und Nacht schwer, ohne sich dabei um die ewige Seele zu kümmern. Das ist Verrücktheit. In ihrer Verrücktheit weigern sie sich, Fortschritte im spirituellen Wissen zu machen. Solche Menschen sind sehr faul, und wenn sie aufgefordert werden, spirituelles Wissen zu entwickeln, sind sie nicht sehr daran interessiert. Sie sind nicht einmal aktiv, wie der Mensch, der von der Erscheinungsweise der Leidenschaft beherrscht wird. Ein weiteres Symptom eines Menschen, der in der Erscheinungsweise der Unwissenheit eingebettet ist, zeigt sich darin, daß er mehr schläft als notwendig ist. Sechs Stunden Schlaf reichen aus, doch ein Mensch in der Erscheinungsweise der Unwissenheit schläft mindestens zehn bis zwölf Stunden täglich. Solch ein Mensch scheint immer niedergeschlagen zu sein und ist Rauschmitteln und dem Schlaf verfallen. Dies sind die Symptome eines Menschen, der von der Erscheinungsweise der Unwissenheit bedingt wird.

VERS 9

सत्त्वं सुखे सञ्जयति रजः कर्मणि भारत ।
ज्ञानमावृत्य तु तमः प्रमादे सञ्जयत्युत ॥९॥

sattvaṁ sukhe sañjayati
rajaḥ karmaṇi bhārata
jñānam āvṛtya tu tamaḥ
pramāde sañjayaty uta

sattvam – Erscheinungsweise der Reinheit; sukhe – in Glück; sañjayati – entwickelt; rajaḥ – Erscheinungsweise der Leidenschaft; karmaṇi – Früchte der Aktivitäten; bhārata – O Nachkomme Bharatas; jñānam – Wissen; āvṛtya – bedeckend; tu – aber; tamaḥ – Erscheinungsweise der Unwissenheit; pramāde – in Verrücktheit; sañjayati – entwickelt; uta – es wird gesagt.

ÜBERSETZUNG

In der Erscheinungsweise der Reinheit wird man vom Glück bedingt, in Leidenschaft von den Früchten der Handlung und in Unwissenheit von Verrücktheit.

ERKLÄRUNG

Ein Mensch in der Erscheinungsweise der Reinheit wird von seiner Arbeit oder seinem intellektuellen Ziel befriedigt. Ein Philosoph, Wissenschaftler oder Erzieher zum Beispiel, der sich mit einem besonderen Wissensgebiet befaßt, erfährt auf diese Weise Zufriedenheit.

Ein Mensch in der Erscheinungsweise der Leidenschaft ist mit fruchtbringenden Aktivitäten beschäftigt; er besitzt so viel, wie er sich aneignen kann, und spendet für gute Zwecke, da er sich einen Nutzen davon verspricht. Manchmal versucht er auch, Krankenhäuser zu eröffnen, oder unterstützt Wohlfahrtseinrichtungen usw. Dies sind die Kennzeichen eines Menschen, der sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befindet.

Die Erscheinungsweise der Unwissenheit bedeckt Wissen. Was auch immer man in der Erscheinungsweise der Unwissenheit tut, ist weder für einen selbst noch für andere vorteilhaft.

VERS 10

रजस्तमश्चाभिभूय सत्त्वं भवति भारत ।
रजः सत्त्वं तमश्चैव तमः सत्त्वं रजस्तथा ॥१०॥

rajas tamaś cābhibhūya
sattvaṁ bhavati bhārata
rajaḥ sattvaṁ tamaś caiva
tamaḥ sattvaṁ rajas tathā

rajaḥ – Erscheinungsweise der Leidenschaft; tamaḥ – Erscheinungsweise der Unwissenheit; ca – auch; abhibhūya – auch überwindend; sattvam – Erscheinungsweise der Reinheit; bhavati – wird vorherrschend; bhārata – O Nachkomme Bharatas; rajaḥ – Erscheinungsweise der Leidenschaft; sattvam – Erscheinungsweise der Reinheit; tamaḥ – Erscheinungsweise der Unwissenheit; ca – auch; eva – wie das; tamaḥ – Erscheinungsweise der Unwissenheit; sattvam – Erscheinungsweise der Reinheit; rajaḥ – Erscheinungsweise der Leidenschaft; tathā – wie in diesem.

ÜBERSETZUNG

O Nachkomme Bharatas, manchmal gewinnt die Erscheinungsweise der Leidenschaft die Oberhand und besiegt die Erscheinungsweise der Reinheit; manchmal besiegt die Erscheinungsweise der Reinheit Leidenschaft, und ein anderes Mal besiegt die Erscheinungsweise der Unwissenheit Reinheit und Leidenschaft. Auf diese Weise findet ein ständiger Kampf um Vorherrschaft statt.

ERKLÄRUNG

Wenn die Erscheinungsweise der Leidenschaft vorherrscht, werden die Erscheinungsweisen der Reinheit und Unwissenheit besiegt. Wenn die Erscheinungsweise der Reinheit vorherrscht, werden Leidenschaft und Unwissenheit besiegt. Und wenn die Erscheinungsweise der Unwissenheit vorherrscht, werden Leidenschaft und Reinheit besiegt. Dieser Kampf hat kein Ende. Wenn man daher ernsthaft darum bemüht ist, Fortschritt im Kṛṣṇa-Bewußtsein zu machen, muß man diese drei Erscheinungsweisen transzendieren. Die Vorherrschaft einer bestimmten Erscheinungsweise der Natur manifestiert sich bei einem Menschen in seinem Verhalten, in seinen Aktivitäten, in seiner Art zu essen usw. All dies wird in späteren Kapiteln erklärt werden. Doch wenn man den Willen hat, kann man durch Übung die Erscheinungsweise der Reinheit entwickeln und somit die Erscheinungsweisen der Unwissenheit und Leidenschaft besiegen. In ähnlicher Weise kann man auch die Erscheinungsweise der Leidenschaft entwickeln und Reinheit und Unwissenheit besiegen. Oder man kann die Erscheinungsweise der Unwissenheit entwickeln und Reinheit und Leidenschaft besiegen. Wenn man jedoch entschlossen ist, kann man mit der Erscheinungsweise der Reinheit gesegnet werden, und indem man die Erscheinungsweise der Reinheit transzendiert, kann man in der transzendentalen Reinheit verankert werden, die auch vāsudeva-Zustand genannt wird; in diesem Zustand kann man die Wissenschaft von Gott verstehen. An den Aktivitäten eines Menschen kann man erkennen, in welcher Erscheinungsweise der Natur er sich befindet.

VERS 11

सर्वद्वारेषु देहेऽस्मिन्प्रकाश उपजायते ।
ज्ञानं यदा तदा विद्याद्विवृद्धं सत्त्वमित्युत ॥११॥

sarva-dvāreṣu dehe ’smin
prakāśa upajāyate
jñānaṁ yadā tadā vidyād
vivṛddhaṁ sattvam iti uta

sarva-dvāreṣu – alle Tore; dehe asmin – im Körper; prakāśaḥ – Eigenschaft der Erleuchtung; upajāyate – entwickelt; jñānam – Wissen; yadā – wenn; tadā – zu dieser Zeit; vidyāt – muß wissen; vivṛddham – angewachsen; sattvam – Erscheinungsweise der Reinheit; iti – so; uta – gesagt.

ÜBERSETZUNG

Die Symptome der Erscheinungsweise der Reinheit können erfahren werden, wenn alle Tore des Körpers mit Wissen erleuchtet sind.

ERKLÄRUNG

Es gibt neun Tore im Körper: zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, den Mund, das Genital und den Anus. Wenn jedes Tor von dem Symptomen der Reinheit erleuchtet wird, hat man die Erscheinungsweise der Reinheit entwickelt. In der Erscheinungsweise der Reinheit kann man die Dinge in der richtigen Perspektive sehen, hören und schmecken; man wird innerlich und äußerlich gereinigt. In jedem Tor entwickeln sich die Symptome des Glücks – das ist die Natur der Reinheit.

VERS 12

लोभः प्रवृत्तिरारम्भः कर्मणामशमः स्पृहा ।
रजस्येतानि जायन्ते विवृद्धे भरतर्षभ ॥१२॥

lobhaḥ pravṛttir ārambhaḥ
karmaṇām aśamaḥ spṛhā
rajasy etāni jāyante
vivṛddhe bharatarṣabha

lobhaḥ – Gier; pravṛttiḥ – Begehren; ārambhaḥ – Anstrengung; karmaṇām – der Aktivitäten; aśamaḥ – unkontrollierbar; spṛhā – Verlangen; rajasi – in der Erscheinungsweise der Leidenschaft; etāni – all dies; jāyante – entwickeln; vivṛddhe – wenn es ein Übermaß gibt; bharatarṣabha – O Oberhaupt der Nachkömmlinge Bharatas.

ÜBERSETZUNG

O Oberhaupt der Bhāratas, wenn die Erscheinungsweise der Leidenschaft zunimmt, entwickeln sich die Symptome von Begierde, großer Anhaftung, unkontrollierbarer Verlangen und großer Anstrengung.

ERKLÄRUNG

Ein Mensch in der Erscheinungsweise der Leidenschaft ist niemals mit der Position zufrieden, die er erreicht hat, sondern strebt immer danach, seine Position weiter zu verbessern. Wenn er ein Haus bauen möchte, versucht er alles, um einen Palast zu bekommen – als wenn er für alle Zeiten in diesem Haus wohnen könnte. Außerdem entwickelt er ein großes Verlangen nach Sinnesbefriedigung. Seine Sinnesbefriedigung kennt keine Grenzen. Er möchte für immer zusammen mit seiner Familie in seinem Haus bleiben und seine Sinne befriedigen. All diese Symptome sollten als Kennzeichen der Erscheinungsweise der Leidenschaft verstanden werden.

VERS 13

अप्रकाशोऽप्रवृत्तिश्च प्रमादो मोह एव च ।
तमस्येतानि जायन्ते विवृद्धे कुरुनन्दन ॥१३॥

aprakāśo ’pravṛttiś ca
pramādo moha eva ca
tamasy etāni jāyante
vivṛddhe kuru-nandana

aprakāśaḥ – Dunkelheit; apravṛttiḥ – Untätigkeit; ca – und; pramādaḥ – Verrücktheit; mohaḥ – Illusion; eva – gewiß; ca – auch; tamasi – der Erscheinungsweise der Unwissenheit; etāni – diese; jāyante – sind manifestiert; vivṛddhe – ist entwickelt; kuru-nandana – O Nachkomme Kurus.

ÜBERSETZUNG

O Nachkomme Kurus, wenn die Erscheinungsweise der Unwissenheit zunimmt, werden Verrücktheit, Illusion, Untätigkeit und Dunkelheit manifestiert.

ERKLÄRUNG

Wenn Erleuchtung fehlt, mangelt es an Wissen. Ein Mensch in der Erscheinungsweise der Unwissenheit handelt nach keinem regulierenden Prinzip; er möchte seinen Launen nachgeben und ziellos handeln. Obwohl er die Fähigkeit hat zu arbeiten, bemüht er sich nicht. Das wird Illusion genannt. Obwohl er ein Bewußtsein hat, verläuft sein Leben in Untätigkeit. Dies sind die Symptome eines Menschen, der sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit befindet.

VERS 14

यदा सत्त्वे प्रवृद्धे तु प्रलयं याति देहभृत् ।
तदोत्तमविदां लोकानमलान्प्रतिपद्यते ॥१४॥

yadā sattve pravṛddhe tu
pralayaṁ yāti deha-bhṛt
tadottama-vidāṁ lokān
amalān pratipadyate

yadā – wenn; sattve – Erscheinungsweise der Reinheit; pravṛddhe – in der Entwicklung; tu – aber; pralayam – Auflösung; yāti – geht; deha-bhṛt – verkörpert; tadā – zu dieser Zeit; uttama-vidām – der großen Weisen; lokān – die Planeten; amalān – rein; pratipadyate – erreicht.

ÜBERSETZUNG

Wer in der Erscheinungsweise der Reinheit stirbt, erreicht die reinen, höheren Planeten.

ERKLÄRUNG

Wenn ein Mensch in der Erscheinungsweise der Reinheit stirbt, erreicht er die höheren Planetensysteme wie zum Beispiel Brahmaloka oder Janaloka und genießt dort himmlische Freuden. In diesem Zusammenhang ist das Wort amalān wichtig; es bedeutet „frei von den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit“. Die materielle Welt ist zwar voller Unreinheiten, doch die Erscheinungsweise der Reinheit ist die reinste Form der Existenz in der materiellen Welt. Es gibt für die verschiedenen Arten der Lebewesen verschiedene Arten von Planeten. Diejenigen, die in der Erscheinungsweise der Reinheit sterben, werden zu den Planeten erhoben, auf denen große Weise und Gottgeweihte leben.

VERS 15

रजसि प्रलयं गत्वा कर्मसङ्गिषु जायते ।
तथा प्रलीनस्तमसि मूढयोनिषु जायते ॥१५॥

rajasi pralayaṁ gatvā
karma-saṅgiṣu jāyate
tathā pralīnas tamasi
mūḍha-yoniṣu jāyate

rajasi – in Leidenschaft; pralayam – Auflösung; gatvā – erreichend; karma-saṅgiṣu – in der Verbindung mit fruchtbringenden Aktivitäten; jāyate – wird geboren; tathā – danach; pralīnaḥ – aufgelöst sein; tamasi – in Unwissenheit; mūḍha – Tier; yoniṣu – Arten; jāyate – werden geboren.

ÜBERSETZUNG

Wer in der Erscheinungsweise der Leidenschaft stirbt, wird unter denen geboren, die fruchtbringenden Aktivitäten nachgehen, und wer in der Erscheinungsweise der Unwissenheit stirbt, wird im Reich der Tiere geboren.

ERKLÄRUNG

Einige Menschen haben die Vorstellung, die Seele falle nicht wieder herunter, wenn sie einmal die Stufe des menschlichen Lebens erreicht habe. Doch diese Auffassung ist nicht richtig. Nach der Aussage dieses Verses, sinkt man, wenn man die Erscheinungsweise der Unwissenheit entwickelt, nach dem Tod auf die tierische Stufe des Lebens zurück. Von dort muß man sich durch den Evolutionsvorgang allmählich wieder erheben, um erneut zur menschlichen Form des Lebens zu kommen. Daher sollten diejenigen, die das menschliche Leben ernstnehmen, die Erscheinungsweise der Reinheit entwickeln und daraufhin durch guten Umgang die Erscheinungsweisen der materiellen Natur transzendieren und im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert werden. Das ist das Ziel des menschlichen Lebens. Ergreift der Mensch diese Gelegenheit nicht, ist es nicht sicher, daß er im nächsten Leben wieder die menschliche Stufe des Lebens erreicht.

VERS 16

कर्मणः सुकृतस्याहुः सात्त्विकं निर्मलं फलम् ।
रजसस्तु फलं दुःखमज्ञानं तमसः फलम् ॥१६॥

karmaṇaḥ sukṛtasyāhuḥ
sāttvikaṁ nirmalaṁ phalam
rajasas tu phalaṁ duḥkham
ajñānaṁ tamasaḥ phalam

karmaṇaḥ – der Arbeit; sukṛtasya – in der Erscheinungsweise der Reinheit; āhuḥ – gesagt; sattvikam – Erscheinungsweise der Reinheit; nirmalam – gereinigt; phalam – Ergebnis; rajasaḥ – in der Erscheinungsweise der Leidenschaft; tu – aber; phalam – Ergebnis; duḥkham – Leid; ajñānam – Unsinn; tamasaḥ – in der Erscheinungsweise der Unwissenheit; phalam – Ergebnis.

ÜBERSETZUNG

Wer in der Erscheinungsweise der Reinheit handelt, wird gereinigt. Arbeiten, die in der Erscheinungsweise der Leidenschaft verrichtet werden, enden in Leid, und Handlungen, die in der Erscheinungsweise der Unwissenheit ausgeführt werden, enden in Dummheit.

ERKLÄRUNG

Durch fromme Aktivitäten in der Erscheinungsweise der Reinheit wird man gereinigt; deshalb sind die Weisen, die frei von jeder Illusion sind, im Glück verankert. Aktivitäten hingegen, die in der Erscheinungsweise der Leidenschaft ausgeführt werden, bringen nur Leid mit sich. Jede Aktivität, die materielles Glück zum Ziel hat, ist zum Scheitern verurteilt. Will man zum Beispiel einen Wolkenkratzer bauen, so muß man viel menschliches Leid in Kauf nehmen, bevor ein solches Gebäude errichtet werden kann. Der Finanzierende muß sich sehr abmühen, um viel Geld anzuhäufen, und diejenigen, die das Hochhaus bauen, müssen schwere körperliche Arbeit leisten und sich abplagen. Leiden sind also vorhanden. Deshalb sagt die Bhagavad-gītā, daß jede Aktivität, die im Bann der Erscheinungsweise der Leidenschaft ausgeführt wird, mit Sicherheit viel Leid mit sich bringt. Man mag sich zwar innerlich ein wenig glücklich fühlen – „mir gehört dieses Haus, und ich besitze diese Summe Geldes usw.“ – doch dies ist kein wahres Glück.

Wer in der Erscheinungsweise der Unwissenheit handelt, verfügt über kein Wissen, und deshalb enden all seine Aktivitäten im Elend; letzten Endes wird er auf die tierische Stufe des Lebens zurücksinken. Tierisches Leben ist immer leidvoll, obwohl die Tiere dies unter dem Zauber der illusionierenden Energie nicht verstehen können.

Daß unschuldige Tiere geschlachtet werden, hat ebenfalls seine Ursache in der Erscheinungsweise der Unwissenheit. Die Tiermörder wissen nicht, daß das Tier in der Zukunft einen Körper erhalten wird, der geeignet ist, sie zu töten. So lautet das Gesetz der Natur. Wenn jemand in der menschlichen Gesellschaft einen anderen Menschen tötet, muß er dafür gehängt werden. Das ist das Gesetz des Staates. In ihrer Unwissenheit erkennen die Menschen jedoch nicht, daß es einen vollkommenen Staat gibt, der vom Höchsten Herrn regiert wird. Jedes Lebewesen ist der Sohn des Höchsten Herrn, und der Herr duldet nicht einmal, daß eine Ameise getötet wird. Man muß dafür bezahlen. Tiere zu töten, um die Zunge zu befriedigen, ist die gröbste Form der Unwissenheit. Der Mensch braucht keine Tiere zu töten, denn Gott hat für genügend andere Nahrungsmittel gesorgt. Wenn man dennoch Fleisch ißt, handelt man in der Erscheinungsweise der Unwissenheit und baut sich eine sehr düstere Zukunft auf. Von allen Arten des Tiertötens ist das Töten der Kuh am niederträchtigsten, denn die Kuh erfreut uns mit sehr vielen Dingen, indem sie uns mit Milch versorgt. Das Schlachten der Kuh ist eine Handlung, die in größter Unwissenheit ausgeführt wird. In den vedischen Schriften weisen die Worte gobhiḥ prīṇita-matsaram darauf hin, daß sich jemand in gröbster Unwissenheit befindet, wenn er eine Kuh schlachten will, obwohl er von ihrer Milch völlig zufriedengestellt wird. In den vedischen Schriften finden wir auch folgendes Gebet:

namo brahmaṇya-devāya go-brāhmaṇa-hitāya ca
jagaddhitāya kṛṣṇāya govindāya namo namaḥ.

„Mein Herr, Du bist der wohlmeinende Freund der Kühe und der brāhmaṇas, und Du bist der wohlmeinende Freund der gesamten menschlichen Gesellschaft und der Welt.“

Bedeutsam ist, daß in diesem Gebet ganz besonders der Schutz der Kühe und brāhmaṇas erwähnt wird. Die brāhmaṇas sind das Symbol für spirituelle Erziehung, und die Kuh ist das Symbol für die wertvollste Nahrung, Milch; daher muß diesen beiden Geschöpfen, den brāhmaṇas und den Kühen, aller Schutz gewährt werden – dies bedeutet wirklicher Fortschritt der Zivilisation. In der modernen Gesellschaft wird spirituelles Wissen vernachlässigt und das Schlachten von Kühen gefördert. Man kann daraus schließen, daß die menschliche Gesellschaft in die falsche Richtung Fortschritt macht und somit ihrer eigenen Verdammung entgegengeht. Eine Zivilisation, die die Bürger dahin führt, in ihrem nächsten Leben Tiere zu werden, ist gewiß keine menschliche Zivilisation. Die gegenwärtige Gesellschaft ist offensichtlich sehr stark von den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit irregeführt. Wir leben in einem sehr gefährlichen Zeitalter, und daher sollten sich alle Nationen darum bemühen, den einfachen Vorgang des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu verbreiten, um die Menschheit vor der größten Gefahr zu bewahren.

VERS 17

सत्त्वात्सञ्जायते ज्ञानं रजसो लोभ एव च ।
प्रमादमोहौ तमसो भवतोऽज्ञानमेव च ॥१७॥

sattvāt sañjāyate jñānaṁ
rajaso lobha eva ca
pramāda-mohau tamaso
bhavato’jñānam eva ca

sattvāt – von der Erscheinungsweise der Reinheit; sañjāyate – entwickelt; jñānam – Wissen; rajasaḥ – von der Erscheinungsweise der Leidenschaft; lobhaḥ – Gier; eva – gewiß; ca – auch; pramāda – Verrücktheit; mohau – Illusion; tamasaḥ – von der Erscheinungsweise der Unwissenheit; bhavataḥ – entwickelt; ajñānam – Unsinn; eva – gewiß; ca – auch.

ÜBERSETZUNG

Aus der Erscheinungsweise der Reinheit entwickelt sich wahres Wissen; aus der Erscheinungsweise der Leidenschaft entwickelt sich Leid, und aus der Erscheinungsweise der Unwissenheit entwickeln sich Dummheit, Verrücktheit und Illusion.

ERKLÄRUNG

Weil die gegenwärtige Zivilisation den Lebewesen nicht sehr zuträglich ist, wird Kṛṣṇa-Bewußtsein empfohlen. Mit Hilfe des Kṛṣṇa-Bewußtseins wird die Gesellschaft die Erscheinungsweise der Reinheit entwickeln. Wenn die Erscheinungsweise der Reinheit entwickelt worden ist, werden die Menschen die Dinge im richtigen Licht sehen. In der Erscheinungsweise der Unwissenheit sind die Menschen genau wie Tiere und können die Dinge nicht so sehen, wie sie wirklich sind. In der Erscheinungsweise der Unwissenheit können die Menschen zum Beispiel nicht erkennen, daß sie beim Schlachten von Tieren das Risiko eingehen, in ihrem nächsten Leben vom gleichen Tier getötet zu werden. Weil die Menschen nicht in wirklichem Wissen erzogen worden sind, handeln sie verantwortungslos. Um diese Verantwortungslosigkeit zu beenden, muß es eine Erziehung geben, die der Menschheit hilft, die Erscheinungsweise der Reinheit zu entwickeln. Wenn die Menschen in der Erscheinungsweise der Reinheit erzogen worden sind, werden sie besonnen werden, weil sie genau wissen, wie sich die Dinge verhalten. Dann werden sie glücklich sein, und es wird allgemeiner Wohlstand herrschen. Selbst wenn die Mehrzahl der Menschen nicht glücklich und reich werden sollte, so besteht dennoch die Möglichkeit, daß überall auf der Welt Frieden und Wohlstand herrschen, wenn ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickelt und in der Erscheinungsweise der Reinheit verankert wird. Andernfalls – wenn die Welt den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit weiterhin verfallen bleibt – wird es niemals Frieden oder Wohlstand geben.

In der Erscheinungsweise der Leidenschaft werden die Menschen gierig, und ihr Begehren nach Sinnesbefriedigung kennt keine Grenzen. Doch selbst wenn genügend Geld und ausreichende Möglichkeiten zur Sinnesbefriedigung vorhanden sind, kann man beobachten, daß sie weder Glück noch inneren Frieden gefunden haben. Glück und Frieden sind nicht möglich, solange sich die Menschen in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden. Geld allein kann den Menschen nicht glücklich machen; er muß sich vielmehr zur Erscheinungsweise der Reinheit erheben, indem er Kṛṣṇa-Bewußtsein praktiziert. Wer in der Erscheinungsweise der Leidenschaft handelt, ist nicht nur unglücklich, sondern hat auch in seinem Beruf oder seiner Beschäftigung ständig Schwierigkeiten. Er muß zum Beispiel viele Pläne und Programme entwerfen, um genügend Geld zur Erhaltung seines Status quo zu verdienen. Dies alles ist mit Leid verbunden.

In der Erscheinungsweise der Unwissenheit werden die Menschen verrückt. Weil ihre Lebensumstände leidvoll sind, suchen sie bei Rauschmitteln Zuflucht und sinken daher immer tiefer in Unwissenheit. Ihre Zukunft sieht sehr düster aus.

VERS 18

ऊर्द्ध्वं गच्छन्ति सत्त्वस्था मध्ये तिष्ठन्ति राजसाः ।
जघन्यगुणवृत्तिस्था अधो गच्छन्ति तामसाः ॥१८॥

ūrdhvaṁ gacchanti sattva-sthā
madhye tiṣṭhanti rājasāḥ
jaghanya-guṇa-vṛtti-sthā
adho gacchanti tāmasāḥ

ūrdhvam – nach oben; gacchanti – geht; sattva-sthāḥ – jemand, der sich in der Erscheinungsweise der Reinheit befindet; madhye – in der Mitte; tiṣṭhanti – weilen; rājasāḥ – diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden; jaghanya – verabscheuungswürdig; guṇa – Erscheinungsweise; vṛtti-sthāḥ – Tätigkeit; adhaḥ – nach unten; gacchanti – gehen; tāmasāḥ – Menschen in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.

ÜBERSETZUNG

Menschen, die sich in der Erscheinungsweise der Reinheit befinden, gehen zu den höheren Planeten; diejenigen, die sich in Leidenschaft befinden, bleiben auf den irdischen Planeten, und diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit befinden, fallen in die höllischen Welten hinab.

ERKLÄRUNG

In diesem Vers werden die Ergebnisse der Handlungen, die in den drei Erscheinungsweisen der Natur ausgeführt werden, noch ausführlicher beschrieben. Es gibt ein höheres Planetensystem, das aus den himmlischen Planeten besteht, auf denen sich jedes Lebewesen auf einer hohen Lebensstufe befindet. Je nachdem, wie weit man die Erscheinungsweise der Reinheit entwickelt hat, kann man auf die verschiedenen Planeten in diesem System erhoben werden. Der höchste Planet ist Satyaloka bzw. Brahmaloka, auf dem Brahmā lebt, das erste Lebewesen im Universum. Wir haben bereits festgestellt, daß wir uns die wunderbaren Lebensbedingungen, die auf Brahmaloka herrschen, kaum vorstellen können, doch die höchste Erscheinungsweise, die Erscheinungsweise der Reinheit, kann uns dort hinbringen.

Die Erscheinungsweise der Leidenschaft ist vermischt. Sie befindet sich zwischen den Erscheinungsweisen der Reinheit und der Unwissenheit. Ein Mensch befindet sich nicht immer in einer unvermischten Erscheinungsweise, doch selbst wenn er sich ausschließlich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befände, würde er lediglich als König oder reicher Mann auf der Erde bleiben. Doch weil die Erscheinungsweisen vermischt auftreten, kann man auch hinabsinken. Die Menschen auf dieser Erde, die sich in den Erscheinungsweisen der Leidenschaft oder Unwissenheit befinden, können nicht mit einer Maschine gewaltsam die höheren Planeten erreichen. Auch besteht in der Erscheinungsweise der Leidenschaft die Möglichkeit, im nächsten Leben verrückt zu werden.

Die niedrigste Erscheinungsweise, die Erscheinungsweise der Unwissenheit, wird hier als verabscheuungswürdig beschrieben. Es ist sehr gefährlich, die Erscheinungsweise der Unwissenheit zu entwickeln, denn sie ist die niedrigste Erscheinungsweise der materiellen Natur. Es gibt 8 000 000 Arten des Lebens, die sich auf niedrigeren Stufen befinden als die Menschen: Säugetiere, Vögel, Reptilien, Bäume usw., und je nachdem, wie weit die Menschen die Erscheinungsweise der Unwissenheit entwickelt haben, werden sie in diese erbärmlichen Lebensbedingungen versetzt. Das Wort tāmasāḥ ist in diesem Zusammenhang sehr bedeutsam. Tāmasāḥ bezeichnet diejenigen, die für immer in der Erscheinungsweise der Unwissenheit bleiben, ohne sich zu einer höheren Erscheinungsweise zu erheben. Ihre Zukunft sieht sehr düster aus.

Für die Menschen in den Erscheinungsweisen der Unwissenheit und Leidenschaft gibt es eine Möglichkeit, zur Erscheinungsweise der Reinheit erhoben zu werden, und dieser Vorgang wird Kṛṣṇa-Bewußtsein genannt; doch wenn man diese Gelegenheit nicht nutzt, wird man ohne Zweifel weiterhin in den niederen Erscheinungsweisen bleiben.

VERS 19

नान्यं गुणेभ्यः कर्त्तारं यदा द्रष्टानुपश्यति ।
गुणेभ्यश्च परं वेत्ति मद्भावं सोऽधिगच्छति ॥१९॥

nānyaṁ guṇebhyaḥ kartāraṁ
yadā draṣṭānupaśyati
guṇebhyaś ca paraṁ vetti
mad-bhāvaṁ so ’dhigacchati

na – niemals; anyam – andere als; guṇebhyaḥ – von den Erscheinungsweisen; kartāram – der Ausführende; yadaḥ – wenn; draṣṭā anupaśyati – derjenige, der in rechter Weise sieht; guṇebhyaḥ ca – von den Erscheinungsweisen der Natur; param – transzendental; vetti – wisse; mat-bhāvam – Meine spirituelle Natur; saḥ – er; adhigacchati – wird erhoben.

ÜBERSETZUNG

Wenn du erkennst, daß in allen Aktivitäten allein diese Erscheinungsweisen der Natur wirken, und daß der Höchste Herr transzendental zu ihnen ist, kannst du Meine spirituelle Natur verstehen.

ERKLÄRUNG

Man kann die Aktivitäten, die von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur ausgeführt werden, transzendieren, indem man von einer selbstverwirklichten Seele lernt, sie in rechter Weise zu verstehen. Der ursprüngliche geistige Meister ist Kṛṣṇa, und Er offenbart Arjuna dieses spirituelle Wissen. In ähnlicher Weise muß man von Kṛṣṇa-bewußten Menschen die Wissenschaft der Aktivitäten erlernen, die in Beziehung zu den Erscheinungsweisen der Natur ausgeführt werden; denn andernfalls wird man in die Irre gehen. Durch die Unterweisung eines echten geistigen Meisters kann ein Lebewesen etwas über seine spirituelle Position, seinen materiellen Körper und seine Sinne erfahren und verstehen, auf welche Weise es verstrickt ist und sich im Bann der materiellen Erscheinungsweisen der Natur befindet. Das Lebewesen ist hilflos, da es sich in der Gewalt dieser Erscheinungsweisen befindet, doch wenn es seine wirkliche, spirituelle Position erkennt, kann es die transzendentale Ebene erreichen, da es zum spirituellen Leben geeignet ist. In Wirklichkeit ist es nicht das Lebewesen, daß die verschiedenen Aktivitäten ausführt, sondern es ist der Körper, der zum Handeln gezwungen ist, weil er von einer bestimmten Erscheinungsweise der materiellen Natur dirigiert wird. Solange dem Lebewesen nicht von einer spirituellen Autorität geholfen wird, kann es nicht verstehen, in welcher Position es sich eigentlich befindet. Durch das Zusammensein mit einem geistigen Meister jedoch, kann es seine wirkliche Position erkennen und auf diese Weise im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert werden. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch steht nicht im Bann der materiellen Erscheinungsweisen der Natur. Es wurde bereits im Siebten Kapitel erklärt, daß ein Mensch, der sich Kṛṣṇa hingegeben hat, von den Aktivitäten der materiellen Natur befreit ist. Somit läßt für den, der die Dinge so sehen kann, wie sie wirklich sind, der Einfluß der materiellen Natur allmählich nach.

VERS 20

गुणानेतानतीत्य त्रीन्देही देहसमुद्भवान् ।
जन्ममृत्युजरादुःखैर्विमुक्तोऽमृतमश्नुते ॥२०॥

guṇān etān atītya trīn
dehī deha-samudbhavān
janma-mṛtyu-jarā-duḥkhair
vimukto ’mṛtam aśnute

guṇān – Erscheinungsweisen; etān – all diese; atītya – überschreitend; trīn – drei; dehī – Körper; deha – Körper; samudbhavān – geschaffen von; janma – Geburt; mṛtyu – Tod; jarā – Alter; duḥkhaiḥ – Leiden; vimuktaḥ – befreit sein von; amṛtam – Nektar; aśnute – genießt.

ÜBERSETZUNG

Wenn das verkörperte Wesen fähig ist, die drei Erscheinungsweisen zu transzendieren, kann es von Geburt, Tod, Alter und den damit verbundenen Leiden frei werden und schon in diesem Leben Nektar genießen.

ERKLÄRUNG

In diesem Vers wird erklärt, wie man schon im gegenwärtigen Körper in völligem Kṛṣṇa-Bewußtsein in der transzendentalen Position verankert bleiben kann. Das Sanskritwort dehī bedeutet „verkörpert“. Obwohl man sich in einem materiellen Körper befindet, kann man dennoch durch Fortschritt im spirituellen Wissen vom Einfluß der Erscheinungsweisen der materiellen Natur befreit werden. Man kann das Glück des spirituellen Lebens sogar schon im gegenwärtigen Körper genießen, da man nach Verlassen des Körpers mit Sicherheit zum spirituellen Himmel zurückkehren wird. Mit anderen Worten, hingebungsvolles Dienen im Kṛṣṇa-Bewußtsein ist das Zeichen für die Befreiung von der materiellen Verstrickung. Dies wird im Achtzehnten Kapitel erklärt. Wenn man vom Einfluß der Erscheinungsweisen der materiellen Natur frei geworden ist, beginnt man mit hingebungsvollem Dienen.

VERS 21

अर्जुन उवाच ।
कैर्लिङ्गैस्त्रीन्गुणानेतानतीतो भवति प्रभो ।
किमाचारः कथं चैतांस्त्रीन्गुणानतिवर्त्तते ॥२१॥

arjuna uvāca
kair liṅgais trīn guṇān etān
atīto bhavati prabho
kim ācāraḥ kathaṁ caitāṁs
trīn guṇān ativartate

arjunaḥ uvāca – Arjuna sagte; kaiḥ – durch die; liṅgaiḥ – Symptome; trīn – drei; guṇān – Erscheinungsweisen; etān – all dies; atītaḥ – überschreiten; bhavati – werden; prabho – mein Herr; kim – was; ācāraḥ – Verhalten; katham – was; ca – auch; etān – diese; trīn – drei; guṇān – Erscheinungsweisen; ativartate – transzendiert.

ÜBERSETZUNG

Arjuna fragte: O mein lieber Herr, an welchen Symptomen kann man einen Menschen erkennen, der transzendental zu den Erscheinungsweisen ist? Wie verhält er sich? Und auf welche Weise transzendiert er die Erscheinungsweisen der Natur?

ERKLÄRUNG

Arjunas Fragen in diesem Vers sind sehr aufschlußreich. Er möchte wissen, welche Symptome ein Mensch zeige, der die materiellen Erscheinungsweisen bereits transzendiert habe. Als erstes fragt er nach den Symptomen einer solchen transzendentalen Person. Woran könne man erkennen, daß sie den Einfluß der Erscheinungsweisen der materiellen Natur bereits transzendiert habe? Als zweites fragt er, wie ein solcher Mensch lebe und welche Aktivitäten er ausführe – ob sie reguliert oder unreguliert seien? Weiterhin fragt Arjuna nach den Mitteln, mit denen man die transzendentale Natur erreichen kann. Dies ist sehr wichtig, denn solange man nicht die direkten Mittel kennt, mit deren Hilfe man immer in der Transzendenz verankert werden kann, ist es nicht möglich, die Symptome eines in der Transzendenz verankerten Menschen zu zeigen. All diese Fragen Arjunas sind also sehr wichtig und werden daher vom Herrn ausführlich beantwortet.

VERS 22–25

श्रीभगवानुवाच ।
प्रकाशञ्च प्रवृत्तिञ्च मोहमेव च पाण्डव ।
न द्वेष्टि संप्रवृत्तानि न निवृत्तानि काङ्क्षति ॥२२॥

उदासीनवदासीनो गुणैर्यो न विचाल्यते ।
गुणा वर्तन्त इत्येवं योऽवतिष्ठति नेङ्गते ॥२३॥

समदुःखसुखः स्वस्थः समलोष्टाश्मकाञ्चनः ।
तुल्यप्रियाप्रियो धीरस्तुल्यनिन्दात्मसंस्तुतिः ॥२४॥

मानापमानयोस्तुल्यस्तुल्यो मित्रारिपक्षयोः ।
सर्वारम्भपरित्यागी गुणातीतः स उच्यते ॥२५॥

śrī bhagavān uvāca
prakāśaṁ ca pravṛttiṁ ca
moham eva ca pāṇḍava
na dveṣṭi sampravṛttāni
na nivṛttāni kāṅkṣati

udāsīnavad āsīno
guṇair yo na vicālyate
guṇā vartanta ity evaṁ
yo ’vatiṣṭhati neṅgate

sama-duḥkha-sukhaḥ svasthaḥ
sama-loṣṭāśma-kāñcanaḥ
tulya-priyāpriyo dhīras
tulya-nindātma-saṁstutiḥ

mānāpamānayos tulyas
tulyo mitrāri-pakṣayoḥ
sarvārambha-parityāgī
guṇātītaḥ sa ucyate

śrī bhagavān uvāca – der Höchste Persönliche Gott sagte; prakāśam ca – und Erleuchtung; pravṛttim ca – und Anhaftung; moham – Illusion; eva ca – auch; pāṇḍava – O Sohn Pāṇḍus; na dveṣṭi – haßt nicht; sampravṛttāni – obwohl entwickelt; na nivṛttāni – beendet auch nicht Entwicklung; kāṅkṣati – Verlangen; udāsīnavat – als wenn neutral; āsīnaḥ – verankert; guṇaiḥ – durch die Erscheinungsweise; yaḥ – jemand, der; na – niemals; vicālyate – ist beunruhigt; guṇāḥ – die Erscheinungsweisen; vartante – ist verankert; iti evam – so wissend; yaḥ – jemand, der; avatiṣṭhati – bleibt; na – niemals; iṅgate – flackernd; sama – gleich; duḥkha – in Leid; sukhaḥ – in Glück; svasthaḥ – in sich selbst verankert; sama – gleich; loṣṭa – ein Klumpen Erde; aśma – Stein; kāñcanaḥ – Gold; tulya – in gleichem Maße zugetan; priya – lieb; apriyaḥ – nicht wünschenswert; dhīraḥ – stetig; tulya – gleich; nindā – in Schmähung; ātma-saṁstutiḥ – wenn er gelobt wird; māna – Ehre; apamānayoḥ – Schmach; tulyaḥ – gleich; tulyaḥ – gleich; mitra – Freund; ari – Feind; pakṣayoḥ – in Gesellschaft; sarva – alles; ārambhaḥ – Bemühen; parityāgī – Entsagender; guṇa-atītaḥ – transzendental zu den materiellen Erscheinungsweisen der Natur; saḥ – er; ucyate – man sagt, er sei.

ÜBERSETZUNG

Der Höchste Herr sagte: Wer Erleuchtung, Anhaftung und Täuschung nicht haßt, wenn sie vorhanden sind, noch nach ihnen verlangt, wenn sie nicht vorhanden sind; wer von nichts berührt wird, da er sich jenseits der Reaktionen der Erscheinungsweisen der materiellen Natur befindet, wer unerschütterlich bleibt, weil er weiß, daß allein die Erscheinungsweisen aktiv sind; wer Freude und Schmerz mit Gleichmut betrachtet und einen Erdklumpen, einen Stein und ein Goldstück mit gleichen Augen sieht; wer weise ist und Ruhm und Schmach als gleich ansieht; wer in Ehre und Unehre unverändert bleibt und Freund und Feind gleich behandelt, und wer alle fruchtbringenden Unternehmungen aufgegeben hat – von solch einem Menschen sagt man, er habe die Erscheinungsweisen der Natur transzendiert.

ERKLÄRUNG

Arjuna stellte drei Fragen, und der Herr beantwortet in diesen Versen eine nach der anderen. Kṛṣṇa erklärt als erstes, daß ein Mensch, der in der Transzendenz verankert ist, niemanden beneidet und nichts begehrt. Wenn das in einem Körper eingeschlossene Lebewesen in der materiellen Welt bleibt, kann man sagen, daß es von einer der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur beherrscht wird. Wenn es jedoch den materiellen Körper verlassen hat, befindet es sich nicht mehr in der Gewalt dieser Erscheinungsweisen. Doch solange das Lebewesen den Körper nicht verlassen hat, sollte es sich der materiellen Welt gegenüber neutral verhalten. Es sollte sich im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigen, so daß es seine falsche Identifizierung mit dem materiellen Körper von selbst vergißt. Wenn man sich über den materiellen Körper bewußt ist, handelt man nur, um die Sinne zu befriedigen; doch wenn man sein Bewußtsein auf Kṛṣṇa lenkt, hört das Verlangen nach Sinnesbefriedigung von allein auf. Man benötigt den materiellen Körper nicht, und man braucht auch nicht den Befehlen des materiellen Körpers zu gehorchen. Im Körper wirken die Eigenschaften der materiellen Erscheinungsweisen, doch als spirituelle Seele ist das Selbst transzendental zu solchen Aktivitäten.

Wie kann es nun transzendental dazu werden? Es kann auf diese Ebene gelangen, wenn es weder das Verlangen hat, den Körper zu genießen, noch sich wünscht, davon frei zu werden. Wenn der Gottgeweihte somit in der Transzendenz verankert ist, wird er von allein frei. Er braucht nicht auf andere Weise zu versuchen, vom Einfluß der Erscheinungsweisen der materiellen Natur befreit zu werden.

Die nächste Frage betrifft das Verhalten einer in der Transzendenz verankerten Person. Der Mensch mit materiellem Bewußtsein wird von sogenannter Ehre und Schmach, die sich auf den Körper beziehen, berührt; doch der in der Transzendenz verankerte Mensch wird weder von falscher Ehre noch von falscher Schmach beeinflußt. Er erfüllt seine Pflichten im Kṛṣṇa-Bewußtsein, und daher ist es ihm gleich, ob er geehrt oder beleidigt wird. Er akzeptiert Dinge, die für die Ausübung seiner Pflicht im Kṛṣṇa-Bewußtsein nützlich sind; doch im Grunde genommen benötigt er nichts Materielles – ganz gleich, ob es sich dabei um einen Stein oder ein Goldstück handelt. Er sieht in jedem einen guten Freund, der ihm hilft, im Kṛṣṇa-Bewußtsein zu handeln, doch er haßt seinen sogenannten Feind nicht. Er ist jedem gleichgesinnt und sieht alles mit gleichen Augen, denn er weiß sehr wohl, daß er nichts mit der materiellen Existenz zu tun hat. Soziale und politische Probleme berühren ihn nicht, denn er kennt das Wesen zeitweiliger Umwälzungen und Störungen. Er bemüht sich nicht, etwas für sich selbst zu erlangen. Er ist bereit, alles für Kṛṣṇa zu versuchen, doch für sich selbst beansprucht er nichts. Durch ein solches Verhalten wird man tatsächlich in der Transzendenz verankert.

VERS 26

माञ्च योऽव्यभिचारेण भक्तियोगेन सेवते ।
स गुणान्समतीत्यैतान्ब्रह्मभूयाय कल्पते ॥२६॥

māṁ ca yo ’vyabhicāreṇa
bhakti-yogena sevate
sa guṇān samatītyaitān
brahma-bhūyāya kalpate

mām – zu Mir; ca – auch; yaḥ – Person; avyabhicāreṇa – ohne Fehl; bhakti-yogena – durch hingebungsvolles Dienen; sevate – dient; saḥ – er; guṇān – alle Erscheinungsweisen der materiellen Natur; samatītya – überschreitend; etān – all diese; brahma-bhūyāya – auf die Brahman-Ebene erhoben werden; kalpate – wird angesehen.

ÜBERSETZUNG

Wer sich völlig im hingebungsvollen Dienen beschäftigt und niemals fehlt, transzendiert augenblicklich die Erscheinungsweisen der materiellen Natur und erreicht somit die Ebene des Brahman.

ERKLÄRUNG

Dieser Vers ist die Antwort auf Arjunas dritte Frage, die lautete, auf welche Weise man die transzendentale Position erreichen könne. Wie bereits zuvor erklärt wurde, spielt sich das Geschehen in der materiellen Welt im Bann der materiellen Erscheinungsweisen der Natur ab. Man sollte sich jedoch von den Aktivitäten der Erscheinungsweisen der Natur nicht verwirren lassen; anstatt sein Bewußtsein mit solchen Aktivitäten zu beschäftigen, sollte man sein Bewußtsein auf Kṛṣṇa-Aktivitäten übertragen. Kṛṣṇa-Aktivitäten sind als bhakti-yoga bekannt, was bedeutet, immer für Kṛṣṇa zu handeln. Dies bezieht sich nicht nur auf Kṛṣṇa, sondern auch auf Seine verschiedenen vollständigen Erweiterungen, wie zum Beispiel Rāma und Nārāyaṇa – Er hat unzählige Erweiterungen. Wer im Dienste einer der Formen Kṛṣṇas beschäftigt ist, gilt als in der Transzendenz verankert. Man sollte verstehen, daß alle Formen Kṛṣṇas völlig transzendental, voller Glückseligkeit, voller Wissen und ewig sind. Solche Persönlichkeiten Gottes sind allmächtig und allwissend und besitzen alle transzendentalen Eigenschaften. Obwohl es sehr schwierig ist, die Erscheinungsweisen der materiellen Natur zu überwinden, kann man sie dennoch leicht hinter sich lassen, wenn man sich mit unerschütterlicher Entschlossenheit im Dienste Kṛṣṇas oder Seiner vollständigen Erweiterungen beschäftigt. Dies wurde bereits im Siebten Kapitel erklärt. Wer sich Kṛṣṇa hingibt, überwindet augenblicklich den Einfluß der Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Im Kṛṣṇa-Bewußtsein bzw. im hingebungsvollen Dienen beschäftigt zu sein bedeutet, wie Kṛṣṇa zu werden. Der Herr sagt, daß Sein Wesen ewig, glückselig und voller Wissen sei. Die Lebewesen sind winzige Bestandteile des Höchsten, wie auch die Goldkörner Teile der Goldmine sind, und daher ist das spirituelle Lebewesen der Qualität nach so gut wie Kṛṣṇa. Die unterschiedlichen Individualitäten bleiben jedoch weiterhin bestehen, denn sonst könnte von bhakti-yoga keine Rede sein. Bhakti-yoga bedeutet, daß es den Herrn und den Gottgeweihten gibt, und daß zwischen dem Herrn und dem Gottgeweihten ein liebevoller Austausch besteht. Deshalb sind sowohl der Höchste Persönliche Gott als auch die individuelle Seele zwei verschiedene Individuen; andernfalls könnte es kein bhakti-yoga geben. Solange man sich nicht in der gleichen transzendentalen Position befindet wie der Herr, kann man Ihm nicht dienen. Um der persönliche Ratgeber eines Königs zu werden, muß man sich qualifizieren. Qualifiziert zu sein bedeutet, Brahman, das heißt frei von jeder materiellen Verschmutzung, zu werden. In den vedischen Schriften wird gesagt:

brahmaiva san brahmāpyeti

„Man kann das Höchste Brahman erreichen, wenn man selbst die Eigenschaften des Brahman annimmt.“

Das bedeutet, daß man der Qualität nach mit dem Brahman eins werden muß. Wenn man das Brahman erreicht, verliert man jedoch nicht seine ewige Brahman-Identität als individuelle Seele.

VERS 27

ब्रह्मणो हि प्रतिष्ठाहममृतस्याव्ययस्य च ।
शाश्वतस्य च धर्मस्य सुखस्यैकान्तिकस्य च ॥२७॥

brahmaṇo hi pratiṣṭhāham
amṛtasyāvyayasya ca
śāśvatasya ca dharmasya
sukhasyaikāntikasya ca

brahmaṇaḥ – des unpersönlichen brahmajyoti; hi – gewiß; pratiṣṭhā – der Ruheort; aham – Ich bin; amṛtasya – des Unvergänglichen; avyayasya – unsterblich; ca – auch; śāśvatasya – des Ewigen; ca – und; dharmasya – der veranlagungsgemäßen Position; sukhasya – Glück; aikāntikasya – endgültig; ca – auch.

ÜBERSETZUNG

Ich bin der Ursprung des unpersönlichen Brahman, das die Grundlage höchsten Glücks und das unsterblich, unzerstörbar und ewig ist.

ERKLÄRUNG

Das Brahman besteht aus Unsterblichkeit, Unvergänglichkeit, Ewigkeit und Glückseligkeit. Brahman-Erkenntnis ist der Anfang der transzendentalen Verwirklichung. Die Erkenntnis des Paramātmā, der Überseele, ist die mittlere, die zweite Stufe der transzendentalen Verwirklichung, und die Erkenntnis des Höchsten Persönlichen Gottes ist die endgültige Verwirklichung der Absoluten Wahrheit. Daher sind also sowohl der Paramātmā als auch das unpersönliche Brahman in der Höchsten Person enthalten. Im Siebten Kapitel wird erklärt, daß die materielle Manifestation eine niedere Energie des Höchsten Herrn ist. Der Herr befruchtet die niedere, materielle Natur mit den Teilchen der höheren Natur – das ist der spirituelle Hauch in der materiellen Natur. Wenn ein Lebewesen, das von der materiellen Natur bedingt wird, beginnt, spirituelles Wissen zu entwickeln, erhebt es sich über seine Position in der materiellen Welt und steigt allmählich zur Brahman-Erkenntnis des Höchsten auf. Brahman-Erkenntnis ist die erste Stufe der Selbstverwirklichung. Auf dieser Stufe ist der Brahman-verwirklichte Mensch transzendental zur materiellen Existenz, doch er hat noch nicht die Vollkommenheit der Brahman-Erkenntnis erreicht. Er kann entweder auf der Ebene des Brahman bleiben oder von dort allmählich zur Erkenntnis des Paramātmā gelangen und schließlich den Höchsten Persönlichen Gott verwirklichen. In den vedischen Schriften gibt es hierfür viele Beispiele. Die vier Kumāras waren zuerst in der unpersönlichen Brahman-Vorstellung der Absoluten Wahrheit verankert, doch dann stiegen sie allmählich zur Ebene des hingebungsvollen Dienens empor. Wer über die unpersönliche Brahman-Vorstellung nicht hinausgelangen kann, geht das Risiko ein, wieder herunterzufallen. Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es: „Selbst wenn ein Mensch bis zur Stufe des unpersönlichen Brahman gelangt, ist seine Intelligenz immer noch nicht völlig klar, solange er nicht fortschreitet und die Höchste Person erkennt.“ Daher besteht, obwohl man zur Brahman-Ebene emporgestiegen sein mag, immer die Möglichkeit, wieder herabzufallen, wenn man nicht im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigt ist. In den vedischen Schriften wird auch gesagt:

raso vai saḥ rasaṁ hy evāyaṁ labdhvā-nandī bhavati.

„Wenn man den Persönlichen Gott Kṛṣṇa, die Quelle aller Freude, versteht, wird man in fortwährende transzendentale Glückseligkeit getaucht.“

Der Höchste Herr birgt sechs Füllen in Sich, und wenn sich der Gottgeweihte Ihm zuwendet, findet ein transzendentaler Austausch dieser Füllen statt (der Diener des Königs genießt auf fast der gleichen Ebene wie der König), und somit wird das hingebungsvolle Dienen von ewiger Freude, unvergänglicher Glückseligkeit und ewigem Leben begleitet. Deshalb ist die Brahman-Verwirklichung, das heißt Ewigkeit und Unvergänglichkeit, im hingebungsvollen Dienen enthalten. Ein Mensch, der im hingebungsvollen Dienen beschäftigt ist, besitzt bereits all diese Eigenschaften.

Obwohl das Lebewesen von Natur aus Brahman ist, kann es dennoch das Verlangen entwickeln, über die materielle Welt zu herrschen, und fällt somit ins materielle Dasein hinab. In seiner wesenseigenen Position steht das Lebewesen über den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur, doch durch die Verbindung mit der materiellen Energie wird es in ihre verschiedenen Erscheinungsweisen verstrickt: in Reinheit, Leidenschaft und Unwissenheit. Weil es mit den drei Erscheinungsweisen in Berührung steht, hat es das Verlangen, die materielle Natur zu beherrschen. Durch hingebungsvolles Dienen in völligem Kṛṣṇa-Bewußtsein jedoch wird es augenblicklich auf der transzendentalen Ebene verankert, und sein gesetzloses Verlangen, die materielle Natur zu kontrollieren, vergeht. Deshalb sollte der Vorgang des hingebungsvollen Dienens, der mit Hören, Chanten und Sich-Erinnern beginnt, in der Gemeinschaft von Gottgeweihten praktiziert werden. Allmählich wird durch das Zusammensein mit Gottgeweihten und durch den Einfluß des geistigen Meisters, das materielle Verlangen zu herrschen beseitigt, und man wird fest im transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn verankert. Diese Methode wird in diesem Kapitel vom zweiundzwanzigsten bis zum letzten Vers beschrieben. Es ist sehr einfach, dem Herrn in Hingabe zu dienen: man sollte sich ständig im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigen, die Reste der Speisen essen, die dem Herrn geopfert wurden, die Blumen riechen, die den Lotusfüßen des Herrn dargebracht wurden, die Orte besuchen, an denen der Herr Seine transzendentalen Spiele offenbarte, von den verschiedenen Aktivitäten des Herrn und Seinem liebevollen Austausch mit Seinen Geweihten lesen, fortwährend die transzendentale Klangschwingung von Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare chanten und die Fasttage beachten, die an das Erscheinen und Fortgehen des Herrn und Seiner Geweihten erinnern. Wenn man diesem Vorgang folgt, löst man sich allmählich von allen materiellen Aktivitäten. Wer sich auf diese Weise im brahmajyoti verankern kann, ist der Qualität nach mit dem Höchsten Herrn eins.

So enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum Vierzehnten Kapitel der
Śrīmad-Bhagavad-gītā, genannt „Die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur“.

Lotus

Bhagavad-gītā (1. Auflage 1974):  [PDF] (60 MB, Bilder, Sanskrit, Lesezeichen)
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